Die Germanen gab es nicht? Ein Faktencheck

Der Begriff "Germanen"

Der Begriff "Germanen" ist uns von den Römern überliefert und fasst eine Stammesgesellschaft im heutigen Mitteleuropa zusammen. Im Gegensatz zum Begriff "Barbaren", mit denen die Römer alle (für sie) nicht zivilisierten Völker zusammenfassten, steht der Germanenbegriff in der Tat nur für eine bestimmte Gruppe von Stämmen rechts des Rheins. Diese Begriffe werden leider häufig verwechselt was schließlich zu der Aussage führt, dass es DIE Germanen gar nicht gab. Tatsächlich unterschieden die Römer durchaus zwischen Galliern, Dakern, Thrakern, Skythen, Germanen usw.

Ob sich die Einwohner Germaniens selbst einen zusammenfassenden Namen gegeben haben bleibt völlig unklar ebenso wie die Römer auf diese Bezeichnung gekommen sind. 

 

Germania Magna

Germania Magna bezeichnet das Siedlungsgebiet der germanischen Stämme, welches von den römischen Besatzungstruppen aufgegeben werden musste. Es handelt sich hierbei aber nicht um ein geeintes Reich, denn die Germanen bildeten keine politische Einheit und es gab niemals einen Herrscher über ein Gesamtgermanisches Reich oder einen germanischen Staat. Es gelang lediglich einzelnen Anführern eine gewisse Anzahl von Stämmen zu vereinen oder zeitweise Koalitionen einzugehen. Gleichsam bekriegten sich die Stämme auch immer wieder untereinander. Die innergermanischen Verhältnisse waren also stets sehr dynamisch und lassen sich in ihrer Komplexität gar nicht erfassen.

  

Was machte den Germanen zum Germanen?

Da es niemals einen germanischen Staat gab ist die Frage, was einen Germanen ausmacht bzw. was die Germanen verbindet.

 

Sprachwissenschaftlich verbindet die germanischen Stämme eine gemeinsame, wenn auch dialektgefärbte Sprache, wodurch man sie von angehörigen anderer Sprachfamilien, wie etwa dem Keltischen, unterscheiden kann. 

 

Auch archäologisch sind die Germanen greifbar. Natürlich gibt es in einer in Stammesgesellschaften strukturierten Welt mit angrenzenden Nachbarvölkern regionale Unterschiede im Sachgut aber es gibt eben auch bestimmte Gemeinsamkeiten. Beispielsweise taucht das einschneidige Schwert nur bei den Germanen und nicht bei den benachbarten Völkern auf. Beinahe identische Stücke wurde in Schweden, in Polen und dann wieder in Deutschland gefunden, was zeigt wie groß und weitreichend die Vernetzung und der Austausch unter den Germanen gewesen sein muss.

 

Zahlreiche antike Quellen berichten von den Germanen aber sahen die Stämme eine Verbindung untereinander? Zu dieser Frage liefert der römische Historiker Tacitus in seiner, aus dem ersten Jahrhundert stammenden Schrift, "Germania" eine Antwort. Dort wird aufgezeigt, dass die germanischen Stämme durchaus an eine gemeinsame Entstehungsgeschichte glaubten, wonach die einzelnen Stämme auf einen gemeinsamen Gott oder großen Anführer Namens Mannus zurückgehen, dessen drei Söhne die Stämme unter sich aufteilten:

“celebrant carminibus antiquis (quod unum apud illos memoriae et annalium genus est) Tuisconem deum Terra editum et filium Mannum originem gentis conditorisque. Manno tris filios assignant, e quorum nominibus proximi Oceano Ingaevones, medii Herminones, ceteri Istaevones vocentur”

Übersetzt heißt das in Etwa:

„in alten Liedern – der einzigen Art an Überlieferung, die es bei ihnen (den Germanen) gibt , verehren sie Tuisto, einen erdgeborenen Gott, und seinen Sohn Mannus als Stammväter und Begründer ihrer Völkerschaft. Dem Mannus weisen sie drei Söhne zu, nach deren Namen die dem Ozean Nächsten Inguionen, die in der Mitte Herminonen, die übrigen Istävonen genannt sein sollen.“

 

 

Fazit

Den germanischen Stämmen fehlte stets eine politische Einheit.

Diese fehlte in der Anike aber auch anderen Völken wie den Kelten oder auch den Griechen, die in rivalisierenden Stadtstaaten organisiert waren. 

Dennoch sind die Germanen sprachwissenschaftlich, archäologisch und durch zeitgenössische Texte greifbar.

 

Natürlich beeinflussten sich die Stämme und Völker untereinander und es kam zum Austausch und teilweise Vermischungen unter den Bewohnern. 

Die moderne Auffassung von festen Staaten kann auf die Antike nicht umgesetzt werden und selbst das römische Reich wurde immer wieder durch Bürgerkriege erschüttert und es assimilierte andere Völker und Kulturen auf dem Weg zur Weltmacht, wie etwa die Etrusker. Dennoch würde niemand behaupten, es gäbe keine Römer, Griechen, Kelten usw. gleiches gilt also auch für die Germanen.